DAC6: Status-Update, Kernpunkte und Herausforderungen
Die sechste EU-Richtlinie bezüglich des automatischen Informationsaustausches, kurz “DAC6”, führt Meldepflichten in Bezug auf gewisse grenzüberschreitende Gestaltungen ein. Diese hat erhebliche Auswirkungen für EU-Dienstleister und EU-Steuerzahler, wird aber indirekt auch Dienstleister ausserhalb der EU mit in der EU ansässigen Kunden betreffen. Die Fristen für das DAC6-Reporting werden in vielen, aber nicht in allen Jurisdiktionen, aufgrund der COVID-19 Pandemie verschoben. Die Umsetzung der Richtlinie im nationalen Recht steht in einigen Mitgliedstaaten noch aus, und die Veröffentlichung von erläuternden Richtlinien ist vielerorts noch nicht erfolgt. All das erschwert die Einhaltung der DAC6-Anforderungen für die betroffenen Parteien. Wir erläutern einige Kernpunkte sowie die Herausforderungen, mit welchen DAC6 die Branche derzeit konfrontiert.
Hintergrund
Am 25. Juni 2018 ist die EU-Richtlinie 2018/822 vom 25. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen („DAC6“ oder „Richtlinie“) in Kraft getreten. DAC6 basiert auf den „Mandatory Disclosure Rules“ („MDR“) der OECD, aber geht noch einen Schritt weiter: nicht nur CRS-Vermeidung und die Verwendung von intransparenten Strukturen, welche die Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten erschweren, sind meldepflichtig, sondern auch weitere potentiell aggressive Steuergestaltungen.
Timeline
Meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen, welche zwischen dem 25. Juni 2018 und dem 30. Juni 2020 aufgesetzt wurden (retrospektive Meldeperiode) sind gemäss der Richtlinie bis zum 31. August 2020 zu melden. Entsprechende Gestaltungen, die ab dem 1. Juli 2020 aufgesetzt wurden, müssen innerhalb von
30 Tagen gemeldet werden.
Aufgrund der COVID-19 Pandemie, hat der EU-Rat eine Änderungsrichtlinie verabschiedet, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, die Meldefristen um bis zu sechs Monate und unter bestimmten Umständen sogar um weitere drei Monate zu verlängern. Es ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten entscheiden können, ob sie die Fristen verlängern möchten und wenn ja, um wie viele Monate. Bis dato haben Finnland und Deutschland angekündigt, dass sie die Fristen nicht verlängern werden. Österreich wird die erste Meldefrist um drei Monate verschieben. Die meisten Mitgliedsstaaten haben hingegen bekannt gegeben, dass sie die Fristen um sechs Monate verlängern werden (zum Beispiel Belgien, Dänemark, Irland, Luxembourg, Niederlande, Schweden und Grossbritannien). In diesem Fall müssen Gestaltungen, welche in der retrospektiven Meldeperiode aufgesetzt wurden, bis zum 28. Februar 2021 gemeldet werden und die fortlaufende 30-Tage Meldeperiode startet am 1. Januar 2021.
Stand der Umsetzung
Die Mitgliedsstaaten waren dazu verpflichtet, DAC6 bis Ende 2019 in die nationale Gesetzgebung zu überführen, was viele nicht geschafft haben. Stand August 2020 haben jedoch die meisten Mitgliedsstaaten ihre Gesetzgebung verabschiedet und einzelne haben auch erläuternde Richtlinien veröffentlicht. Nur in einzelnen Ländern wie Zypern, Italien und Spanien ist dies noch ausstehend.
Die Mitgliedsstaaten haben bei der Überführung der Richtlinie in die nationale Gesetzgebung bei einigen Aspekten Spielraum. So zum Beispiel bei den Bussen oder auch der Definition der zu meldenden Transaktionen. Einige Mitgliedsstaaten haben diese Option genutzt und auch rein nationale Gestaltungen als meldepflichtig definiert.
Wer ist von DAC6 betroffen?
Eine Gestaltung ist grenzüberschreitend, wenn mindestens ein EU-Mitgliedsstaat involviert ist. Gestaltungen können alle Steuerzahler betreffen, sowohl natürliche wie auch juristische Personen (zum Beispiel Unternehmen) und auch Trusts.
Meldepflichten haben einerseits EU-Intermediäre, zum Beispiel Steuerberater, Anwälte oder Buchhalter sowie jede weitere Person, die gewisse grenzüberschreitende Gestaltungen entwirft, bewirbt oder im Hinblick auf diese Unterstützung leistet. Andererseits können unter gewissen Umständen auch EU-Steuerzahler selber Meldepflichten haben, zum Beispiel wenn keiner der involvierten Intermediäre EU-Bezug hat, es eine firmeninterne Gestaltung ist oder wenn der Intermediär aufgrund des Anwaltsgeheimnisses nicht zur Meldung verpflichtet werden kann.
Wenn mehrere EU-Intermediäre an einer Gestaltung beteiligt sind, hat jeder von ihnen eine Meldepflicht bezüglich der Gestaltung. Nur wenn ein Intermediär beweisen kann, dass die relevanten Informationen bereits von einem anderen Intermediär gemeldet wurden, ist der erstgenannte Intermediär nicht zur Meldung verpflichtet. Die Tatsache, dass die Meldepflicht auch auf den Steuerzahler übergehen kann, bedeutet für Intermediäre ausserhalb der EU, dass sie sich im Interesse ihrer EU-Kunden auch mit den DAC6-Regeln befassen sollten.
Welche Gestaltungen sind unter DAC6 meldepflichtig?
Eine grenzüberschreitende Gestaltung ist dann meldepflichtig, wenn sie mindestens ein sogenanntes „Hallmark“ vorweist. Diese sind im Anhang IV der Richtlinie definiert und beziehen sich auf gewisse Eigenschaften einer Gestaltung, die beispielsweise auf aggressive Steuergestaltungen oder CRS-Vermeidung hinweisen. Einige „Hallmarks“ sind zusätzlich an den sogenannten „Main Benefit Test“ geknüpft. Entsprechende Gestaltungen sind nur dann meldepflichtig, wenn diese hauptsächlich zur Erzielung eines Steuervorteils aufgesetzt wurden.
Herausforderungen
Zurzeit haben viele Intermediäre Mühe mit der Analyse der Gestaltungen der retrospektiven Meldeperiode, aber auch mit der Einführung von effizienten und sicheren Massnahmen, um zukünftige Gestaltungen rechtzeitig zu erkennen und innerhalb der 30-Tage-Frist zu melden. Dies liegt insbesondere daran, dass in vielen Jurisdiktionen noch unklar ist, wie die gesetzlichen Vorgaben zu interpretieren sind oder diese noch gar nicht finalisiert wurden. Ausserdem führt das DAC6-Regime vor allem zu einem hohen Koordinationsaufwand, da oftmals mehrere Intermediäre an derselben Gestaltung beteiligt sind und entsprechend alle eine Meldepflicht haben, sofern sie nicht beweisen können, dass schon ein anderer Intermediär gemeldet hat.
Beachtet man auch die teils unsicheren Meldefristen und die inhaltlichen Unterschiede zwischen den lokalen DAC6-Gesetzgebungen, überrascht es nicht, dass DAC6 zumindest in der jetzigen Situation eine beträchtliche Herausforderung für die Branche darstellt.
Auch wenn die Fristverlängerungen, sofern gewährt, etwas Luft für Behörden wie auch die Meldepflichtigen schaffen, sollten nun alle die verbleibende Zeit nutzen, um Gestaltungen zu analysieren und geeignete DAC6 Compliance-Massnahmen einzuführen, wenn dies noch nicht geschehen ist.
Bitte zögern Sie nicht, uns bei jeglichen Fragen zu DAC6 im Allgemeinen sowie auch bei spezifischen Fragen in Bezug auf Ihr Geschäftsfeld zu kontaktieren .