Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes – ab 1. Januar 2025

Andreas Blättler
Andreas Blättler
Partner
Ute Fischer
Ute Fischer
Senior Manager
Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes – ab 1. Januar 2025

Per 1. Januar 2025 tritt das neue Mehrwertsteuergesetz und auch die neue Mehrwertsteuerverordnung mit flankierenden Regelungen in Kraft. Die Neuerungen werden einzelne Branchen besonders treffen, wie die Reisebranche, das Gesundheitswesen und Anlagestiftungen. Im Fokus stehen aber auch branchenübergreifende Regelungen wie die Besteuerung von Versandhandelsplattformen, der Übertragung von Emissionsrechten, von live streams und Änderungen im administrativen Bereich. Ein kurzer Überblick der wichtigsten (nicht abschliessenden) Regelungen.

Komplette Überarbeitung der Saldosteuersatzmethode

Für Steuerpflichtige, die ihre Mehrwertsteuer nach der Steuersatzmethode abrechnen, gibt es zahlreiche Änderungen. Insbesondere die Neuregelung zum Wechsel der Abrechnungsmethode wird die Anwendung der Saldosteuersatzmethode komplizierter machen. Bisher führte der Wechsel von der effektiven zur Saldosteuersatzmethode und zurück grundsätzlich nicht zu Vorsteuerkorrekturen auf Warenlagern und Anlagevermögen. Ab 2025 bedingt der Methodenwechsel eine Nutzungsänderung und Vorsteuerkorrekturen (Eigenverbrauchs- und Einlageentsteuerung) sind zu prüfen.
 
Ferner wird der Kreis derer, die die Saldosteuersatzmethode anwenden dürfen, eingeschränkt. So wird die Abrechnung nach Saldosteuersätzen im Ausland ansässigen Unternehmen und auch elektronischen Plattformen versagt.
 

Neuer Leistungsort für Streamingleistungen

Neu werden virtuell erbrachte Dienstleistungen im Bereich der Kultur, der Künste, des Sports, des Unterrichts, der Wissenschaft, der Unterhaltung u. Ä. als am Ort des Leistungsempfängers erbracht gelten – nicht länger dort, wo die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird. Unter die Neuregelung fallen sämtliche live stream Veranstaltungen, deren Leistungsort und damit deren Steuerbarkeit neu zu prüfen sind.
 

Übertragung von Emissionsrechten

Die Übertragung von Emissionsrechten im Bereich der MWST ist betrugsanfällig. Daher unterliegt die Übertragung von Emissionsrechten, Zertifikaten und Bescheinigungen für Emissionsverminderungen, Herkunftsnachweisen für Elektrizität und ähnlichen Rechten neu der Bezugsteuer und zwar auch dann, wenn der Verkäufer seinen Sitz im Inland hat.
 

Besteuerung von Versandhandelsplattformen

Ab 2025 werden Umsätze aus Warenverkäufen, die über eine elektronische Plattform abgewickelt werden, mehrwertsteuerlich unter gewissen Voraussetzungen der Plattform zugerechnet. Statt eines Direktverkaufs vom Verkäufer an den Kunden wird ein Doppelumsatz vom Verkäufer an die Plattform und von der Plattform an den Kunden fingiert. Die Plattform hat folglich Umsätze des Verkäufers zu versteuern, die ihr zivilrechtlich nicht zustehen. Diese Neuregelung hat für elektronische Plattformen weitreichende Konsequenzen und wirft in der praktischen Umsetzung Fragen auf.
 
Wie können dem Kunden beispielsweise mehrwertsteuerkonforme Rechnungen gestellt werden, wenn zivilrechtlich keine Ansprüche zwischen der Plattform und dem Kunden bestehen? Wie sind diese Umsätze in der Buchhaltung zu erfassen? Spiegelbildlich stellen sich diese Fragen auch beim Verkäufer. Bei Fehlverhalten drohen der Plattform und Versandhandelsunternehmen neu Einfuhrverbote oder gar die entschädigungslose Vernichtung der Ware. So sind letztlich auch Kunden, die Waren über eine Plattform beziehen, von den Neuregelungen betroffen, denn die vernichtete Ware kann bereits dem Käufer gehören.
 
Die Neuregelung der Besteuerung von Versandhandelsplattformen hat weitreichende Folgen für Verkäufer, Plattform und gegebenenfalls auch Kunden. Diese sind im Vorfeld auszuleuchten; Prozesse sind entsprechend anzupassen.
 

Auskunftspflichten von elektronischen Plattformen

Während die oben beschriebene Versteuerung von Versandhandelsplattformen ausschliesslich für Verkäufe von Waren, nicht aber für den Verkauf von Dienstleistungen gilt, wird die neue Informationspflicht für alle Online-Plattformen eingeführt. Auf Anfrage haben alle elektronischen Plattformen der ESTV mitzuteilen, wer Leistungen in einem Umfang anbietet, der die Mehrwertsteuerpflicht auslösen könnte (CHF 100'000 Umsatzgrenze). Davon werden vor allem auch Anbieter von Dienstleistungen im Bereich der Beförderung (Taxifahrten, Kurierfahrten) und der Beherbergung (Vermietung von Unterkünften) betroffen sein.
 

Besteuerung von Reisebüros

Durch Reisebüros weiterverkaufte Reiseleistungen und die damit zusammenhängenden Dienstleistungen unterliegen neu nicht mehr der Mehrwertsteuer, selbst wenn die Reise in der Schweiz stattfindet. Inländische Reisebüros profitieren insoweit von einer neuen Steuerausnahme. Ihnen steht ein Recht auf Vorsteuerabzug insoweit zu, als die weiterverkaufte Reiseleistung im Ausland bewirkt wird. 
 

Subventionen

Bezeichnet ein Gemeinwesen von ihm ausgerichtete Mittel gegenüber dem Empfänger ausdrücklich als Subvention oder als anderen öffentlich-rechtlichen Beitrag, so gelten diese Mittel als Subvention oder als anderer öffentlich-rechtlicher Beitrag auch für die mehrwertsteuerliche Beurteilung. 
 

Weitere Steuerausnahmen

Auch im Gesundheitswesen und für Leistungen von Anlagestiftungen wird es neu Steuerausnahmen geben.
 

Jahresabrechnung

Ab dem 1. Januar 2025 dürfen Steuerpflichtige mit einem Jahresumsatz von bis zu CHF 5'005'000 die Mehrwertsteuer jährlich (bis Ende Februar des Folgejahres) abrechnen. Dies gilt für Steuerpflichtige, die ihre MWST-Abrechnungen bislang fristgerecht eingereicht und pünktlich sowie vollumfänglich bezahlt haben. Der Antrag auf jährliche Abrechnung kann ab Januar 2025 im ePortal beantragt werden. Damit bereits für das Jahr 2025 jährlich abgerechnet werden darf, ist der Antrag bis spätestens 28. Februar 2025 einzureichen.
 
Steuerpflichtige, die ihre Steuer jährlich abrechnen, haben unterjährig Steuerraten zu zahlen. Die Raten werden von der ESTV festgesetzt, der Steuerpflichtige hat die Möglichkeit, die Höhe anzupassen. Die ESTV widerruft die jährliche Abrechnung, sofern der Steuerpflichtige die jährliche Abrechnung nicht fristgerecht einreicht, bzw. die Steuer nicht fristgerecht und vollständig zahlt oder die Raten zu stark herabsetzt.
 
Die jährliche Abrechnung mag auf den ersten Blick mehr oder weniger grosse administrative Vereinfachungen bringen. Eine quartalsweise Abrechnung wird hingegen immer den Vorteil haben, dass sich Fehler nicht über das ganze Jahr kumulieren, sondern frühzeitig erkannt und korrigiert werden können. Ob die jährliche Abrechnung gesamthaft administrativ einfacher ist, wird der Einzelfall zeigen müssen. Weiter besteht das Risiko bei einer jährlichen Abrechnung, dass Vorsteuerguthaben, welche bspw. aus Einfuhrsteuern oder einer grösseren Anschaffung resultieren mit einer grossen zeitlichen Verzögerung ausbezahlt werden. Diese «Cash-flow-Risiken» sollten bei jedem Unternehmen im Vorfeld der Beantragung geprüft werden. Ausserdem sollte sich jedes Unternehmen bewusst sein, dass die Abgabefrist in engem zeitlichem Rahmen mit dem Jahresabschluss fallen könnte. 
 

Ernennung eines Fiskalvertreters neu im Ermessen der ESTV

Ab 2025 kann die ESTV ausländische Unternehmen grundsätzlich von der Pflicht, einen lokalen Fiskalvertreter zu ernennen, entbinden. Nach dem Gesetzeswortlaut gilt dies, soweit die Steuerpflichtigen ihre «Verfahrenspflichten auf andere Weise erfüllen». Diese Klausel ist wenig konkret und lässt offen, unter welchen Voraussetzungen die Steuerverwaltung auf die Ernennung eines Fiskalvertreters verzichten wird. Eine entsprechende Praxismitteilung seitens der ESTV liegt bislang noch nicht vor. Mehrwertsteuerrevisionen werden aber weiterhin ausschliesslich in der Schweiz stattfinden, so dass der Steuerpflichtige zumindest für Prüfungszwecke eine Adresse in der Schweiz vorhalten können muss.